Belletristik
Dagny Gioulami
Alle Geschichten, die ich kenne
Ein Abenteuer, ein Road-Movie, ein Märchen aus unseren Tagen. Es beginnt in Zürich, in einer chemischen Reinigung, deren neue Besitzerin vom Pech verfolgt scheint. Um sie zu retten, bricht eine ihrer Kundinnen, die Ich-Erzählerin, zu einer Reise in das Heimatland ihrer Familie auf: nach Griechenland. Begleitet von ihrem Gefährten, dem "tätowierten Polizisten", setzt sie ihre Hoffnung auf Tante Irini, eine begnadete Schneiderin, die in einem geheimnisvollen Bund mit dem Schicksal steht...
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Verlagstexte
Dagny Gioulami hat mit "Alle Geschichten, die ich kenne", ein erstes Buch, einen Roman geschrieben. Die in Zürich lebende Autorin ist bislang in erster Linie als Schauspielerin aufgetreten, seit 1998 schreibt sie – zunächst in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Edward Rushton – Librettis und Chansontexte, dann aber auch Theaterstücke wie "Zack und Zoé" und "Uruguay". Vor Erscheinen des Romans hat weissbooks.w eine Erzählung der Autorin in einer Anthologie mit "Geschichten ums Waldhaus in Sils Maria" veröffentlicht.
"Alle Geschichten, die ich kenne" ist entstanden im Zusammenhang eines Studiums am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel und wurde als Privatdruck in einer Auflage von 100 Exemplaren als "Masterthesis im Master in Contemporary Arts Practice an der Hochschule der Künste Bern" im Juni 2013 veröffentlicht (Mentorat: Friederike Kretzen; Redaktion: Urs Engeler).
"Alle Geschichten, die ich kenne" ist ein höchst eigenwilliges, von einem ganz besonderen Ton geprägtes Buch, ein abenteuerliches Märchen von heute. Es nimmt seinen Anfang an einem ganz unliterarischen Ort: in einer chemischen Reinigung mitten in Zürich, in der Merkwürdiges geschieht. Im Roman notiert die Ich-Erzählerin: "Ich bin mir sicher, dass sich hier ... nach Ladenschluss Szenen der Zerstörung abspielen. Javelwasser wird verspritzt, Löcher werden gestochen, Nasenflügel abgerissen. Ich rufe den tätowierten Polizisten aus dem Kreis 9 an. Er sieht eine Möglichkeit. Ich packe einen Koffer. Wir beziehen die Wohnung schräg gegenüber der Wäscherei und richten das Teleskop auf das Hinterzimmer."
Und schon sind wir, die Leser, in einem Film – der jetzt beginnt. Und der die beiden Protagonisten, die junge Frau und den Polizisten, auf eine Reise schickt: von Zürich bis nach Griechenland, dem Heimatland der Erzählerin. Auf eine Reise, die von Jim Jarmusch erdacht und von Aki Kaurismäki in Szene gesetzt sein könnte. "Alle Geschichten, die ich kenne" ist ein Road-Movie, kunterbunt, einfallsreich, bildkräftig und voller Humor. Ist: eine Entdeckung.
Presse- und Autorenstimmen
Was für ein schöner, bizarrer, eigenwilliger, poetischer, rätselhafter Text! Dagny Gioulami könnte so etwas wie die weibliche und griechische Ausgabe von Aki Kaurismäki sein.
(Britta Schröder, Autorin (Zwölfender)
)Als Road-Movie getarnt, führt uns Gioulamis Prosadebüt in einer kühnen Mischung aus Natalia Ginzburgs Familienlexikon und Bora Ćosić Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution in das alte Herz griechischer Familiengeschichten.
(Friederike Kretzen, Autorin (Natascha, Véronique und Paul)
)Textprobe(n)
Heute habe ich Kleider zur chemischen Reinigung in der Motorenstrasse gebracht. Das Geschäft sieht anders aus, der Name Mutlu steht nicht mehr auf dem Schild über dem Eingang. Im Fenster hängt ein Plakat: Express-Schneiderei. Ich betrete die Reinigung, die Klingel ertönt. Hinter der Theke steht neu ein Tisch mit drei Nähmaschinen. Nach einer Weile kommt eine junge Frau aus dem Hinterzimmer.
"Ist Herr Mutlu nicht mehr hier?", frage ich.
"Herr Mutlu ist nicht mehr hier", antwortet sie. "Er hat das Geschäft verkauft. Er hat jetzt ein Geschäft in Lenzburg, seit fünf, sechs Monaten."
Ich zeige ihr Kleid, Rock, Pullover. Ich zeige ihr die Flecken.
"Ich werde versuchen, die Flecken zu entfernen", sagt sie. "Ich kann es nicht im Voraus sagen. Ich habe für jedes Material ein spezielles Mittel. Manche Flecken gehen raus, manche nicht. Einmal wollte eine Kundin einen Fleck unbedingt entfernt haben, ich habe sie gewarnt, die Kundin hat darauf bestanden. Der Fleck ist rausgegangen, aber an seiner Stelle gibt es jetzt einen grossen weissen Fleck."
"Sind Sie die Chefin?"
"Ja, ich bin die Chefin. Ich bin Schneiderin, ich nähe Hochzeitskleider, das ist mein Beruf. Ich war vier Jahre bei Clean-Express angestellt. Jetzt habe ich mein eigenes Geschäft."
Bei Herrn Mutlu hingen Postkarten und Collagen von zufriedenen Kunden an den Wänden: Mutlu – simply the best. Jetzt sind die Wände kahl. Herr Mutlu hatte das Geschäft dreiundzwanzig Jahre, er war ein fantastischer Wäscher.
Einmal, als ich Frau Mutlu die Kleider abgab, trat eine Frau ins Geschäft, die Frau Mutlu aus der Hand lesen wollte. Frau Mutlu schickte sie weg. Sie sagte: Ich habe Angst vor ihr. Sie hat mir schon einmal aus der Hand gelesen. Sie hat mir gesagt, ich hätte zwei Kinder und sei unsicher, ob ich ein drittes wollte. Wie konnte sie das wissen?
Bei Herrn Mutlu standen Gummibäume in den Fensternischen, jetzt sind sie leer.
"Läuft es gut?"
Die junge Frau sagt: "Jetzt läuft es gut. Am Anfang war ich traurig, aber jetzt ist es besser. Ich habe das Geschäft gekauft, weil Herr Mutlu mir seine Kunden mitverkauft hat. Hunderttausend für das Geschäft, die Maschinen, fünfzigtausend für die Kundschaft. Im ersten Monat kamen die Kunden, dann kamen sie nicht mehr. Ich habe einen Kunden gefragt, ob er unzufrieden sei. Nein, hat er gesagt, Herr Mutlu habe ihn angerufen und angeboten, die Wäsche bei ihm zuhause abzuholen und gereinigt zurückzubringen. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das Geschäft nicht gekauft. Die Hälfte der Kunden hat Herr Mutlu mitgenommen. Ich habe einen Kredit aufgenommen, fünfunddreissigtausend Franken."
Die Tür geht auf, ein Mann mit einer Plastiktüte kommt herein. Ein Kunde! denke ich. Die Klingel ertönt und hört nicht auf zu läuten, obwohl der Mann schon drinnen ist und die Türe zugefallen. Der Mann lächelt und streckt mir seine Hand hin. Er sagt: "Ich muss die Glocke reparieren."
"Mein Verlobter", sagt die junge Frau.
"Ich wünsche Ihnen Glück", sage ich und verlasse den Laden.
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Alle Geschichten, die ich kenne
Roman / Novelle
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ALS BUCH:
Hardcover
148 Seiten
Format: 131 x 193 mm
Auslieferung ab 2. Februar 2015
D: 17,90 Euro A: 18,40 Euro CH: 25,90 CHF
ISBN (Print) 978-3-86337-073-2
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Der Verlag im Netz:
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