Belletristik
Marica Bodrožić
Das Auge hinter dem Auge
Das Wort speichert alle Verwandtschaftslinien, diese Lichtverbindungen, Schneisen und Zugschienen der Sehnsucht, die Flugrouten des Glücks und des Unglücks. In unserer Seele und in der Literatur geht es wie in der projektiven Geometrie zu!
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Verlagstexte
Das Bewusstsein ist ein elastisches Gefüge, bevor es aber Sprache wird, muss es eine Reise durch den Körper machen. Marica Bodrožić legt in diesen Poetik vorlesungen ihren eigenen Denk- und Schreibraum frei und zeigt, auf welche Weise etwa die Hand an der "Republik der Poesie" mitarbeitet. Leben und Schreiben, Leser und Autor bilden für sie in diesen sprachphi-losophischen Umkreisungen eine Einheit, die sich vor dem Hintergrund der Stille ereignet. Das Erhören der Worte, die das Wesenhafte wieder hervor holen, ohne sich zu wiederholen, formieren einen geistigen Kern in diesen Betrachtungen und verweisen auf Autoren wie Fran-cis Ponge oder Edmond Jabès, die diesen Kern mitgeformt haben. "Das Auge hinter dem Auge" ist hier ein Verbündeter der schöpferischen Kraft und Synonym für das innere Schweigen, das am Geheimnis teilhat. Aus Schnittmengen von Schönheit und Sprache ergeben sich Spiel-formen des poetischen Erwachens und führen zu jenem "Fallschirmsprung aus dem Schlaf", von dem Tomas Tranströmer spricht. Diese inneren Ereignisse beschreibt Marica Bodrožić sehr genau und zeigt, wie sich uns autonome Sprach(t)räume zusprechen, wie sie uns lesen und beschriften, während wir glauben, dass es sich umgekehrt verhält.
Presse- und Autorenstimmen
Marica Bodrožić ist eine Schriftstellerin, die beides glänzend beschreiben kann: die luftigen Aufschwünge der Phantasie und die Erdenschwere der Existenz. Beides ist in ihrem Werk aufs engste miteinander verquickt, kunstvoll ineinander gedreht wie der Faden einer Raupe, zum Flug bereit wie ein Schmetterling.
(Meike Feßmann, Sinn und Form
)Trotz, Verweigerung, Melodie – das prägt den poetischen Kosmos von Marica Bodrožić, ihre, tatsächlich: Zaubersprache. In die es sich herrlich hineinfallen lässt und dort dann noch herrlicher treiben, gerne auch ertrinken lässt.
(Kevin Vennemann, Tages-Anzeiger
)Die Lektüre von Marica Bodrožić’ Texten versetzt den Leser zuweilen in ein eigentümliches Schweben, Schwanken, auch Strudeln, führt ihn in Räume, in welchen er sich mitunter tastend, im Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung des Begreifens, zurechtfinden muss. Es ist ein wenig so, als ob man mit verbundenen Augen an Deck eines Schiffes geht und sich auf eine Tag- und Nachtreise durch Mythos, Märchen und Historie, durch Traum und Wirklichkeit, Wasser, Luft und Erde, durch Nebel und klaren (Sternen-) Himmel begibt, an Orte, die gleichermaßen bekannt wir fremd erscheinen.
(Katharin Herzmansky, Die Presse
)Textprobe(n)
Sprachufer sind jenseits der Zeit. Was in der Zeit lebt, offenbart sich nicht in der Sprache. Die Satzflüsse haben ihr eigenes Uhrwerk, und als ich anfing zu schreiben, wusste ich nicht, dass mein Leben davon nicht nur im Außen, sondern auch grundlegend und in der Tiefe verändert werden würde. Damals schon fühlte ich aber, "dass ich der Zeit nicht erlauben durfte, in meine Seele zu dringen" – ein Satz, den ich bei Friederike Mayröcker las, lange noch bevor ich selbst eine einzige Zeile zu Papier gebracht hatte. Als ich dann in meinen ersten Büchern, wie man mir später sagte, über "meine" Kindheit schrieb, kehrte ich in jenen Raum der Selbst-Erfindung zurück, den alle Menschen kennen. Wir alle hatten eine Kindheit ohne Uhren, eine Welt, die nicht vorsortiert und akribisch bis in alle Einzelheiten verplant war. So konnte sich ein eigener Blick entwickeln. Niemand hat als Kind Beweise für das, was er sieht. Unser Blick ist von Natur aus von einem Erfindergeist durchdrungen, der jenseits der erklärbaren Zuordnungen lebt. Diese geistigen Feuergarben und die aufblitzende Freude am Erkennen spüren wir später in der Literatur wieder auf, empfinden das, was wir einst in unserem Inneren aufblitzen sahen, im zeitlosen Raum – für eine Zukunft, die schon um sich wusste. Nur dichteste sprachliche Konzentration vermag uns zielgenau zu jenem inneren Ort zu geleiten, der zwar schon immer in uns vorhanden ist, aber erst durch das Bewusstsein der Worte geweckt wird. Wir erfahren nur das, was wir in uns tragen. Auch das Fremdeste ist längst schon in uns, wenn es uns in der Sprache eines scheinbar Anderen begegnet. Der Andere sind wir, sonst könnte er uns gar nicht berühren. Das Feuer dieser inneren Landschaft spricht und wird Erinnerung. Die Literatur verbindet uns mit dieser alten Kraft.
Ich möchte meine Bücher in diesem Geist schreiben, ohne sie zu erläutern. Es fällt mir schwer, mich selbst zu zitieren, da sich nachmeinem inneren Erleben dabei etwas vom falschen Ich verdoppelt. Andersherum gedacht: das richtige Ich – das genaugenommen das innere Selbst ist – jenes leise, namenlose, wird im Prozess der leeren Wiederholung zum Verschwinden gebracht. Und dabei wird auch das Wort, das ernstgemeinte, ausgelöscht, in dem Sinne, in dem Edmond Jabès einmal schreibt: "Es ist nicht das geschriebene Wort, sondern das im Wort gelöschte Wort, das uns auslöscht."
Das Buch, so Jabès weiter, gebe uns diese beiden Arten der Auslöschung zu lesen. Würde ich mich selbst zitieren, käme es vielleicht zu einer doppelten Auslöschung des Wortes.
Jede den Geist entleerende Wiederholung ist schädlich. Sie verrät und hintergeht das innere Uhrwerk und macht jeden Satz nicht nur behäbig, sondern auch ungültig, es sei denn, die geschöpfte Empfindung in ihm bleibt im Sprechen bestehen. Aber kann die Tiefe des Wortes laut gesprochen überstehen, kann das Ich stärker sein als das die Worte bergende weiße Papier? Statt mich zu wiederholen, werde ich also die inneren Funken für Sie sammeln und das umkreisen, was der Geburt des Wortes vorausgeht.
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Das Auge hinter dem Auge
Essayistik
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ALS BUCH:
Hardcover
89 Seiten
Format: k. A.
Auslieferung: ab August 2015
D: 15,00 Euro A: k. A. CH: k. A.
ISBN (Print): 978-3-7013-1235-1
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ALS EBOOK:
Datenformat(e): epub
Auslieferung: ab August 2015
D: k. A. A: k. A. CH: k. A.
ISBN (eBook) k. A.
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