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Die Weißweintrinker

Belletristik

Wolf Christian Schröder

Die Weißweintrinker

Glaubenssehnsucht in einer entzauberten Welt: Mit "Die Weißweintrinker" legt Wolf Christian Schröder die Bekenntnisse eines Dandys vor. Dem Leser öffnet sich durch den Ich-Erzähler ein Resonanzraum, in dem sich geistreicher Zynismus, gleichgültige Arroganz und die Sehnsucht nach Glauben unversöhnbar gegenüberstehen.

Verlagstexte

Zwei Brüder im Geiste und Rivalen vor dem Herrn bereiten sich auf ihr Theologieexamen vor; gottvertrauend der eine, zweifelnd der andere. In der Endphase des gemeinsamen Lernens spüren sie in der Schrift den verborgenen Hinweisen auf Berufung und Erwählung nach. Immer wieder aber wird der Zweifler heimgesucht von der Idee, statt Priester lieber "Weißweintrinker" zu werden, "um aller Welt Streiche zu spielen."

Und während sie bei Tage den vierfachen Schriftsinn oder die Bedeutung des alten Bundes diskutieren, ringen sie nachts mit Gott oder schlafen mit Maria.

Ginge es nach dem Zweifler, würde dieser Zustand zwischen Erinnerung und Erwartung, leichtsinnigem Scherz und letztem Ernst ewig währen. "Zwischen den Punkten, wo etwas geschieht, in den Momenten des Wartens, dort ist das Gold des Lebens zu finden".

Die Handlung:
Fast unbemerkt – gemessen an seiner Bedeutung - ereignet sich zur Zeit der Niedergang einer der großen Dominanten in der Geschichte Europas: Des christlichen Glaubens und seiner Kirchen. Max Weber spricht von der "Entzauberung der Welt": Unsere Epoche scheint die Annahme höherer Mächte nicht mehr nötig zu haben, um die Welt zu erklären und Einfluss auf sie zu nehmen. Das ist eine Befreiung, und die Freiheit wurde errungen. Aber diese Kämpfe sind vorbei, auch der Kampf gegen Kirche und Gottgläubigkeit stiftet keine Identität mehr. Und – weil unbeantwortet – taucht quälend die Sinnfrage wieder auf. Wie einfach wäre sie zu lösen, denkt der Protagonist Johannes, Sohn atheistischer Eltern, wenn es einem gegeben wäre, zu glauben. So wie seinem Freund und Vorbild König. Welche Sicherheit, welche Ruhe würde der Glauben an Gott mit sich bringen!
Diese Unbeirrbarkeit lebt König Johannes vor.
Johannes folgt seinem Freund ins Theologiestudium, hoffend, dass sich der Glaube mit der Zeit einstellen werde. Aber Glaube lässt sich - wie Liebe - nicht erzwingen – oder, theologisch formuliert, Gott lässt nicht jeden an sich glauben, schon gar nicht einen Dandy, der zu Narzissmus, Zynismus und blasphemischen Gedanken neigt, und so durchaus luziferische Züge aufweist.
Er wird Pfarrer, ohne zum Glauben gefunden zu haben. Niemand kennt sein Geheimnis. Bis ihn nach Jahren eine Frau aufsucht, einen Liebeswahn zu ihm entwickelt, und Johannes, als er sie abweist. als "Gottlosen" entlarvt.

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© Cover: Verlag, Foto(s): k. A.

Textprobe(n)

Es ist Mai, draußen blühen die Bäume, auf der Neckarinsel gehen Liebespaare auf und ab und warten darauf, dass es dunkel wird. König und ich aber sitzen im Stiftszimmer und lernen für unsere Prüfung. König mit großem Ernst, mit dem schönen Ernst, den er sich erworben hat in den Studienjahren, ich mit dem Summen im Kopf: König, König, glaubst du wirklich? Laut aber sage ich in das altehrwürdige Zimmerchen hinein, in dem schon die besten Köpfe des Landes gesessen hatten: Sollen wir uns noch mal die Patristik vornehmen?

Lass uns Theologie studieren, hatte König gesagt. Warum nicht? hatte ich gedacht, da es nicht aussah nach einem Leben mit vielen Frauen und anderen Abenteuern. Und ich hatte mich nicht schlecht geschlagen, unter Aufbietung all meiner Willenskraft hatte ich tatsächlich fast zum Glauben gefunden, war nun Kandidat, genau wie König. Was aber soll ich anfangen mit den Seelen von andern, wenn meine eigene mir vorkommt, als sei sie nicht innen, wo es keine Materie mehr gibt …

Mir kommt es vor, als säße meine Seele außen, ein schäbiges, an mir herunterschlotterndes Gewand. Guck mal den da, mit seiner Außenseele!

König antwortet nicht gleich auf die Frage nach der Patristik, und so blicke ich, um ihm Zeit zu geben, an die Wand seines Stiftzimmers. Eine Kopie hängt dort, nein, ein Kunst-druck von Rembrandts „Apostel Paulus“, es zeigt einen Greis, würdig und fröhlich, dem es sicher Spaß macht an Gott zu glauben, der sich freut eine neue Religion zu organisieren; er sitzt dort, einen Griffel in der Hand, das weiße Haar steht ihm unternehmungs-lustig vom Kopf ab.

So wartet er auf schöne Formulierungen. "Und auf dass ich mich nicht der hohen Offenbarungen überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl im Fleisch, nämlich des Satanas Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf dass ich mich nicht überhebe." So wie dieser überlegene, ja arrogante Greis, so wollte auch ich gern dasitzen, von niemand geringerem als vom ersten Maler gemalt.

Nur die Prüfung noch, dann wirst du deine Gottlosigkeit gestehen.

Die Weißweintrinker
Roman / Novelle
ALS BUCH:
Hardcover

mit Lesebändchen

244 Seiten
Format: 150 x 210 mm
Auslieferung: ab 15. Oktober 2020
D: 22,00 Euro A: 22,90 Euro CH: k. A.

ISBN (Print) 978-3-96258-064-3

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