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Ein Becher Blut

Belletristik

Surab Leschawa

Ein Becher Blut

Deutsche Erstausgabe. Aus dem Georgischen übersetzt von Tamar Muskhelishvili. Mit einem Nachwort von Zaal Andronikashvili.

Georgien zwischen dem Ende der Sowjetunion und der Gegenwart - erzählt von Surab Leschawa, dem "Meister der georgischen Groteske", in einer barocken, prallen, immer wieder derben und obszönen und zugleich hochstilisierten Sprache. Die acht Erzählungen dieses Bandes hat der Autor selbst aus seinen ersten drei Büchern ausgewählt, er wird damit zum ersten Mal dem deutschsprachigen Publikum präsentiert.

Andere Titel des Verlags bzw. der Autorin/des Autors

Verlagstexte

In den Jahren vom Ende der Sowjetunion bis heute hat Georgien eine bewegte Geschichte erlebt: Bürgerkriege, politische Instabilität, soziale Umwälzungen.

Surab Leschawa berichtet von den Verlierern der gesellschaftlichen Veränderungen in seinem Land. Er schildert Kleinbürger, die listig und energisch ihre Besitzstände verteidigen. Und er verarbeitet nicht zuletzt seine Erlebnisse in sowjetischer Haft. Für seine Erzählungen hat er eine einzigartige Form gefunden, in der sich Alltagserfahrung mit Elementen des Grotesken und Phantastischen verbindet. Seine Sprache kennt alle Ebenen vom Derben und Obszönen bis zu äußerster Stilisierung.

Die Übersetzerin Tamar Muskhelishvili hat die vielen Stimmen dieser Prosa auf Deutsch hörbar gemacht. Das kundige Nachwort von Zaal Andronikashvili erschließt Leschawas Bedeutung innerhalb der georgischen Gegenwartsliteratur.

Downloads

© Cover: Verlag, Foto(s): Khatuna Khutsishvili

Textprobe(n)

Aus der Erzählung Fick doch deine Oma

Gestatten: Goderdsi Panasow, ehemaliger Solist des staatlichen Tanz- und Gesangsensembles Die Adler des Tals. Gegenwärtig habe ich als Säufer mehrere Alkoholdelirien hinter mir und bin von meiner Frau verlassen worden. Ich bin ein einsamer, arbeitsloser Mensch, der in einem entlegenen Außenbezirk in einem entlegenen sechzehnstöckigen Haus im menschen- und gottverlassenen sechzehnten Stock wohnt. Von meinem – nicht allzu weit zurückliegenden – alten, fröhlichen und ereignisvollen Leben sind mir lediglich Fotos von Tourneen und Festlichkeiten, von Freunden und Frauen, Gästen und Gastgebern mit ihren freundlichen Gesichtern geblieben. Ebenfalls geblieben sind mir wertvolle Erinnerungsstücke an mein altes Leben. Zum Beispiel eine blaue, ausgeblichene Tanz-Tschocha, eine Dhol und ein zerrissenes, von Klebeband zusammengehaltenes asiatisches Akkordeon. Die Tschocha nutze ich als Bademantel; das Akkordeon spiele ich ab und zu, wenn meine Kumpel vorbeikommen – oder auch alleine, wenn mich Einsamkeit übermannt. Wahrscheinlich sind meine Nachbarn nicht unbedingt begeistert, aber was soll ich tun? Habe nicht auch ich ein Recht darauf, zu leben?

Da ihr mich nun kennt, kommen wir jetzt zu der Geschichte, auf die ich eure Aufmerksamkeit lenken will, um euch und auch mich ein wenig zu amüsieren.

Bekanntlich ist ein ordentliches Badezimmer ein sehr spezieller Ort – verkleidet mit schönen Marmorfliesen, mit Spiegeln an den Wänden und weiteren nötigen Dingen. Erfüllt vom Aroma herrlicher Seifen, Haarshampoos und unterschiedlichster Salben. Es ist warm, die Wasserhähne in exklusiven Designs scheinen regelrecht danach zu verlangen, berührt zu werden und den Badenden ohne Zögern willkommen zu heißen, um ihn mit heißem oder kaltem Wasser oder einer samtenen Verschmelzung beider Ströme zu versorgen. Die stattliche weiße Badewanne beschwört schamhaft – oder schamlos – den Menschen, sich hineinzulegen, einzuschäumen, zu entspannen und zu plantschen …

Bei mir sieht die Sache anders aus: den fettigen, dunstgetränkten Wänden sind nur noch einige wenige vergilbte, unbrauchbare Fliesen geblieben. Durch die Linien an der klammen Wand gerahmt, deuten kleinen Quadrate auf eine Zeit hin, in der auch sie einst gefliest waren. Zwischen dem verrosteten Rohr (von dem die Farbe längst abgeblättert ist) und der Wand steckt ein schuppiger Spiegel, dem magische Fähigkeiten innezuwohnen scheinen und der das Spiegelbild beim Hineinblicken aus irgendeinem Grund erst nach einer gewissen, vagen Pause offenbart. Das Spiegelbild schimmert nur langsam durch, und das noch verzerrt – ähnlich einem Spiegelkabinett; mit dem Unterschied, dass das Spiegelbild auch nach dem Wegtreten noch eine Weile verharrt. Schwer zu sagen, wie ein Wissenschaftler dieses seltsame, wahrlich paradoxe Phänomen erklären würde. Ich habe eine einfache Erklärung: Mein Spiegel ist Ratschwelier – und dementsprechend genauso langsam wie die Menschen aus Ratschwelien. Wie es Pfannen mit dünnem Boden gibt, die sich schnell erhitzen und schnell abkühlen, so gibt es Pfannen mit dickem Boden, die kaum heiß zu bekommen sind, aber wenn sie erst einmal heiß sind, dann sind sie auch drei Tage später noch nicht kalt.

Auf die Kloschüssel, die direkt neben der Wanne steht, setze ich mich fast nie. In der verrosteten Speiseröhre des vergilbten Dämons, der außer einem Sprung im Dach auch selbst einen Sprung hat, finden sich stetig Fäkalien. Der chronische Rost und Kot und der, sagen wir, "blendende" Gestank machen diese Kreatur dermaßen abstoßend, dass es sogar mich, wahrlich keinen allzu kultivierten und zimperlichen Zeitgenossen, anwidert – ich besteige sie nur mit Schuhen. So, wie es auf den Dorflatrinen unserer Väter und Vorväter üblich war.

Ein Becher Blut
Erzählung(en)
ALS BUCH:
Hardcover

Fadenheftung. Lesebändchen

252 Seiten
Format: 160 x 215 mm
Auslieferung: ab 15. September 2018
D: 26,00 Euro A: 26,00 Euro CH: 30,00 CHF

ISBN (Print) 978-3-9817789-3-9

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