Verlagstexte

Was macht man, wenn man in der Weihnachtszeit alleine ist? Wenn all die Weihnachtsmusik und -beleuchtung, all der Trubel und Shoppingrummel einen an vergangene Zeiten mit der eigenen Familie erinnern? Wenn man gerade erst in eine unmöblierte Stadtwohnung gezogen ist und der verzweifelte Versuch, sich aus Büchern und Kleidung ein Bett zu bauen, scheitert? Und wenn man beim Wichteln mit seinen Kollegen nicht so richtig in Stimmung kommt, weil einen aus dem Heimatland nur grauenhafte Nachrichten erreichen? Eine berührende Weihnachtsgeschichte über das Fremdsein und über das Ankommen. Und über das kleine Glück des Neuanfangs.

Die Geschichte wird am 24. Dezember 2016 um 19.04 Uhr im kulturradio vom rbb ausgestrahlt.

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Textprobe(n)

Vor ein paar Monaten trat ich in einen McDonald’s-Imbiss in Mainz, um etwas zu essen. Der ägyptische Mitarbeiter, der meine Bestellung entgegennahm, sagte mir, als er mich mit meinen Freundinnen Arabisch sprechen hörte, dass das Essen, das ich mir ausgesucht hatte, Schinken enthalte. Ich nickte, um ihm zu verstehen zu geben: Ist mir klar, ich habe damit kein Problem. Als er die Bestellung dann an unseren Tisch brachte, lag bei meinem Menü ein großes rotes Glas mit eingraviertem Coca-Cola-Schriftzug. Ich sah ihn an, er lächelte mir zu, während er zurück an den Schalter ging. Ich dachte, es sollte wohl eine Art Entschuldigung sein, weil er glaubte, seine Bemerkung habe mich gestört.

Jetzt sitze ich in einer leeren Wohnung, in die ich vor ein paar Tagen eingezogen bin, warte darauf, dass die Feiertage vorbei sind und ein paar Überweisungen ankommen, so dass ich beginnen kann, Möbel zu besorgen. Bisher enthält die Wohnung nichts, bis auf ein einsames, großes, rotes Coca-Cola-Glas auf einem Wandbrett über der Spüle. Ich musste mir eine Matratze aus meinen Kleidern formen, die jetzt außer den Büchern das einzige sind, was ich habe. Ich dachte zuerst, ich könnte einfach Bücher und Kleider zu einer Hart-Weich-Verbindung zusammenfügen, um eine Schlafunterlage herzustellen. Dann wurde mir klar, dass Bücher sich nicht gut eignen, um darauf zu schlafen, und ich nahm mir vor, den Kleinen Prinzen, der mit mir aus Damaskus hergereist ist, meinem Freund zu schenken. Ich habe die Fähigkeit der Bücher überschätzt, einen über das Gefühl der Entfremdung hinwegzutrösten. Ich möchte eine echte Matratze, keine Matratze aus Geschichten. Eine echte, dicke, weiße Matratze.