x
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Bleiweiß. Gedicht

Belletristik

Athena Farrokhzad

Bleiweiß. Gedicht

Reihe Lyrik Band 67, gestaltet von Andreas Töpfer

Mein Bruder sagte: Das Vergangene ist ein Übergriff der niemals aufhört

Verlagstexte

Meine Mutter sagte: Es gibt eine Stummheit, die sich der Übersetzung widersetztVitsvit, Langgedicht und Geschichtserzählung, wie Athena Farrokhzad ihr Debüt nennt, findet klare Bilder und knüpft doch ein Geflecht von Mehrdeutigkeiten. Bleiweiß setzt ein mit der Ankunft der vor dem Krieg im Iran geflohenen Familie in Schweden und nimmt rasch dramatische Form an, die Familienmitglieder ordnen sich (moralischen) Positionen zu und sprechen im Wechsel – bis auf die Erzählerin selbst. Mutter, Vater, Bruder, Onkel und Großmutter spielen mit verdrehten Redewendungen, extravaganten Metaphern und Sprichwörtern unter anderem auf die Themen Erbe, Verantwortung für die Familie, Identität und (Mutter-)Sprache an. Dabei wird die Tochter zwar adressiert, angeklagt und zur Rede gestellt, verweigert aber Antwort und die Einnahme einer Position. So ist das Gedicht durchdrungen von der Vielzahl an Stimmen, die ihre Familie ist oder sein könnte, von der sie ein Teil ist oder sein könnte, und entzieht sich zu einfachen Wahrheiten. Sie zeigen sowohl auf sich selbst und eigene Vergehen als auch auf ein Außen, den Krieg und die damit einhergehende Verrohung der Sprache. Doch in und durch Sprache erkennt die Familie auch die Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Für die Erzählerin selbst besteht der Widerstand in ihrer Redeverweigerung. (Clara Sondermann)

In meinen Arbeiten verschmelze ich lyrische, politische und konzeptuelle Verfahren. Mich interessiert die Intimität, die gesellschaftliche Ordnungen offenbart. Und, mit den Worten von Adrienne Rich: Art means nothing if it simply decorates the dinner table of the power which holds it hostage. (Athena Farrokhzad)

Die Übersetzerin Clara Sondermann (*1990) studierte skandinavische und deutsche Literatur in Berlin und Reykjavík. Sie arbeitet als Lektorin, Redakteurin und Übersetzerin.

Ausgezeichnet!
Eines der 5 schönsten deutschen Bücher 2020, Allgemeine Literatur
Eine der 10 Lyrik-Empfehlungen 2020, Übersetzung

Downloads

© Cover: Verlag, Foto(s): Khashayar Naderehvandi

Presse- und Autorenstimmen

Athena Farrokhzads Werk wie auch ihre Person haben eine Resonanz, der man sich schwer entziehen kann. In Schweden ist sie eine bedeutende Persönlichkeit, eine entschiedene Feministin und Linke. Und eine herausragende Autorin. An der Oberfläche erzählt „Bleiweiß“ eine Geschichte von Migration und wie diese Vertrautes prägt und zugleich verzerrt. Jede*r in diesem Gedicht hat etwas zu sagen über das Trauma der Migration und die Auswirkungen der Globalisierung auf alle Bereiche der Intimität, noch da wo kaum miteinander geredet wird. Und das Gedicht spielt viele Register. Mal ist es metaphorisch und manieriert, dann wieder direkt und unverblümt, auch zärtlich.

(

Juliana Spahr

)

Athena Farrokhzad ist eine sehr einfache und zugleich sehr komplexe Collage gelungen. Das "systematische Spiel mit Unterschieden" und die "Infragestellung von Repräsentationen" (Rosalind Krauss) in jeder Zeile – wer spricht, in wessen Namen, in wessen Sprache – machen Farrokhzads Poesie stark und notwendigerweise instabil.

(

Jörgen Gassilewski, Sveriges Kulturradio

)

Poesie als Widerstand ist das zentrale Motiv in Bleiweiß. Dieses Buch ist eine Kampfzone.

(

Pernilla Berglund, Versopolis

)

Video

Textprobe(n)

Mein Vater sagte: Dein Bruder rasierte sich noch bevor der Bart anfing zu wachsen
Dein Bruder sah ein Terroristengesicht im Spiegel
und wünschte sich ein Glätteisen zu Weihnachten

 

Mein Bruder sagte: Ich möchte eines Tages in einem Land sterben
in dem die Menschen meinen Namen aussprechen können

 

Meine Mutter sagte: Wenn wir uns wiedertreffen werden wir so tun
als hätten wir uns nicht gekannt als du hungrig warst und ich dir Milch gab

 

Meine Großmutter sagte: Pistazien für die Zahnlosen
Rosenkränze für die Gottlosen
Teppiche für die Obdachlosen
und eine Mutter für dich

 

Mein Vater sagte: Arbeit für die Arbeitslosen
Lohn für die Lohnlosen
Papiere für die Papierlosen
und einen Vater für dich

 

Mein Bruder sagte: Kabel für die Kabellosen
Organe für die Körperlosen
Transfusionen für die Herzlosen
und einen Bruder für dich

 

Meine Mutter sagte: Sauerstoff für die Leblosen
Vitamine für die Kraftlosen
Prothesen für die Beinlosen
und eine Sprache für dich

 

Mein Vater sagte: Wie viel Widerstand kann Menschenfett tragen
bevor sich die Peitschenstriemen einschreiben
Mein Vater sagte: Wenn du das Alphabet vergisst
findest du es auf meinem Rücken

 

Mein Vater sagte: Erst wenn du dem vergibst der dich verraten hat weißt du was Gewalt bedeutet

 

Mein Onkel sagte: Gibt es eine einzige Pfütze in der sich der Krieg seine blutigen Hände
nicht gewaschen hat

 

Mein Onkel sagte: Es gab jene die mit jedem Sonnenaufgang hingerichtet wurden
Es gab jene die zurückblieben und die Vollstreckung der Urteile verfolgten

 

Meine Mutter sagte: Warum rufen sie zu Gott von den Dächern
Haben sie vergessen dass Gott die Peitsche hielt
als ihre Mütter gefoltert wurden

 

Mein Onkel sagte: Was wird aus uns wenn wir unsere Befreiung mit den gleichen Mitteln
erkämpft haben die uns auch gefangen hielten

 

Meine Mutter sagte: Erst wenn du mich in dieser Erde begräbst
gehört diese Erde zu dir

 

Meine Mutter sagte: Sprich die Sprache die es wert ist mich zu verraten

Meine Großmutter sagte: Eine Wunde in der Dämmerung wo die schlaflose Nacht eindringt
Das Dunkel lässt sich nicht fassen
Die Wahrnehmung anderer Himmel an denen andere Monde ruhen

 

Mein Bruder sagte: All die Samen
dazu verurteilt
in diese Erde zu fallen und nie zu erblühen
Für sie soll die Erde aufreißen



Bleiweiß. Gedicht
Lyrik
ALS BUCH:
Hardcover

Fadenheftung

72 Seiten
Format: k. A.
Auslieferung: März 2020
D: 19,90 Euro A: 20,50 Euro CH: k. A.

ISBN (Print) 978-3-937445-99-1

Die Autorin bzw. der Autor im Netz:

Der Verlag im Netz:

Pressekontakt des Verlages:

Daniela Seel
+49 (0)30 40053974
daniela.seel(at)kookbooks.de

Vertriebskontakt des Verlages:

Daniela Seel
+49 (0)30 40053974
daniela.seel(at)kookbooks.de