Belletristik
Dragica Rajčić Holzner
Glück
"Glück" von Dragica Rajčić Holzner: Ana Jagoda ist aus dem kroatischen Dorf "Glück" in die USA ausgewandert. Im "Womenirrhaus" in Chicago sucht sie nach ihrer Geschichte und erzählt von der fortdauernden Gewalt an Frauen. Schreibend entdeckt sie eine Möglichkeit, dem Gewaltzyklus zu entrinnen. Und aus ihrer versehrten Sprache entsteht eine faszinierend-poetische Literatur.
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Verlagstexte
Ein Kind "fehlt" ins Wasser und gleich sind wir in der Welt von Dragica Rajčić Holzner, einer poetischen Welt, die Sprachnormen und Erzählkonventionen aufbricht. Wörter nehmen ungewohnte Formen an, Sätze geraten in Schieflage und Geschichten werden laufend revidiert. "Das Eigentliche / wird nie durch die Worte oder Geschichten weitergegeben", sagt Ana Jagoda, das Ich der Stimmen aus dem Heimatdorf Glück. Und doch will Ana "erzählen ohne Linderung / um erzählend sich zu vergewissern / dass es etwas gibt / wozu erzählen gut ist".
Sie versucht ihre Geschichte zu finden und jene der "Tränen ihrer Ahnen". Es ist eine Geschichte fortgesetzter Misshandlungen und Missbräuche der Frauen durch ihre Väter und Ehemänner, die weitergeben, was sie selbst einst unter der Fuchtel ihrer Väter erdulden mussten. Ein "Womenirrhaus" in Chicago bietet Frauen wie Ana Schutz und Raum zum Aufarbeiten der Traumata. Im Rückblick wird Ana bewusst, wie bestimmte Herrschaftsformen zwischen den Geschlechtern sich auf subtile Weise in der Psyche beider, Opfer wie Täter, sedimentiert haben.
Rajčić Holzners pflegt einen bewusst ans sogenannte Ausländerdeutsch angelehnten, an der Oberfläche rudimentär-fehlerhaft wirkenden Stil, der eine eigene Poesie entwickelt und den die Autorin als eine Ausprägung von Schweizer Mundart bezeichnet.
Mit einem Nachwort von Katharina Hacker.
Presse- und Autorenstimmen
Glück, wenn es ein Dorf ist, ist Stoff für den äußersten Schmerz, der Ausgangspunkt der Katastrophe, die sich dann langsam und über Kontinente hinweg entfaltet.
Glück heißt, dass Menschen irgendwo hingehen und ihr Unglück mitnehmen.
Und Dragica Rajčić Holzners Buch bedeutet zu begreifen, dass es sich dabei nicht um einen Fluch handelt, sondern um Gewalt, die von Männern gegen Frauen ausgeübt wird.
Textprobe(n)
Traum von Glück
Jahrlang nachdem ich Womenirrhaus in Chicago verlassen hatte
und für Rehabilitation zu Jim und Jenifer in Sunflower Farm umgezogen war
träumte ich denselben Traum.
Ich bin in Glück
in meinem Dorf
die kleinen runzligen Zwerge steigen aus der Erdinneren
es sind drei
sie singen laut
dissonant.
Ich bin in einem äussersten Ort in Dalmatien
muss aussteigen.
Ein Geburtsland.
Seit Jahren an dieser Busstation
steigt weder jemand in Bus hinein noch aus Bus hinaus.
Mein Vater
der Busfahrer
hält sofort an
er weiss
was ich such
und schaut mich misstrauisch an
so wie man diese verrückten Ausländerinnen anschaut
die eine Art unverdorbene Naturschönheit suchen
dort wo Gott der Welt Gute Nacht gesagt hat.
Seit zwanzig Jahren hat Vater mich vermisst
Vater liebt Ausländerinnen
Vaters Augen kleben auf meinem Rücken
auch als der Bus schon längst Richtung Süden verschwunden ist.
Die Erregung
die Ungewissheit
macht meinen von der Reise ermüdeten Körper steif
und Beine schwer.
Glück liegt in die Breite gestreckt
zwischen zwei kahl geschorenen Steinbergen.
Auf beiden Seiten der mit Macchia überwucherten Wiesen
welche einst fruchtbare Mais- und Weizenfelder waren
wachsen vereinzelt kleine Steinhäuser
direkt an sie angelehnt Schafställe.
Die Häuser sind klein
einige ohne Dachsteine
so dass Wände als einsame Finger
zum nackten Himmel sich auflehnen.
Ich sehe mein Schulhaus mit Fenstern ohne Holzrahmen
welche wie leere Augen mich verschlingen wollen.
Das sind sicher Kriegsschäden oder Raubspuren.
Auf ersten Blick sieht Glück menschenleer aus
vielleicht auch seelenleer
es sollten doch Vogelgezwitscher und Schafsglocken meine Ankunft bekunden
ich habe keinen Hund
keinen Luch
mit blutiger Schnauze
welcher mir behilflich sein könnte.
Wo ist mein Geburtshaus?
Es ist auch an meinem ersten Schultag schwer zu finden gewesen.
Ich habe Rücken voll Ameisen
setze mich neben Kuhtränke und Dorfbrunnen
und warte ohne Hoffnung
warte auf Mutter
habe Angst
dass ich sie nicht erkennen werde
oder sie mich für immer vergessen hat.
Ich werde ihr kein Wort sagen können
warten auf Mutter ist sinnlos
weil die Mutter ihrem Geliebten nachtrauert.
Das Licht verändert sich ständig
ich schlafe und kann jetzt in Traumschlaf zweiten Grades hinfallen
ich fliege buchstäblich von Schulhaus bis Geburtshaus.
Klopfen muss ich nicht
die Holzbrettertüre ist Spalt breit offen
ich trete in die Dunkelheit ein.
Im grossen Raum steht nur ein Holztisch
auf dem Tisch sehe ich todträumende Augen
sie starren auf mich
meine Glückseligkeit
mein Bewußtsein
vermag nicht
das Wimmelnde Leuchtende des Raums in Ordnung zu bringen
denn je schärfer es ist
desto grenzenloser wird
wenigstens vorläufig
die Welt.
Als ich mich von Glück erholt habe
schaue ich durchs offene Fenster
und erkenne in der vollbusigen Frau meine junge Mutter
in dem jetzt von Rosen überwucherten Garten
sticht meine Mutter ihrem Mann ins linke Auge
ich denke das muss ein Kuhauge sein
fürs Drehen der Szene
Andalusische Fliege
so der Film.
Erst jetzt sehe ich Igor
Igors Augen
einzige Augen
welche mich zerschnitten haben
sie starren direkt in mich hinein
Igor schwebt mit beiden Augen über den Tisch zu mir
ich fühle erst Wärme dann Hitze
wie damals als seine Hand erstes Mal
um meine Schultern streichelte meine Wangen.
Ich kann es auswendig
ich kann auswendig inwendig
ich bin so glücklich dich hier zu finden ich ja
Guter Gott angezogen in Uniform des Tages
schüttelt seine Seele wach
sie besteht aus Asche und ist verfärbt.
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Glück
Roman / Novelle
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ALS BUCH:
Broschur
ca. 220 Seiten
Format: k. A.
Auslieferung: ab 15. Oktober 2019
D: 22,00 Euro A: 22,70 Euro CH: 25,00 CHF
ISBN (Print) 978-3-03853-099-2
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Die Autorin bzw. der Autor im Netz:
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Der Verlag im Netz:
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Tamaris Mayer
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Vertriebskontakt des Verlages:
Matthias Burki (Verlagsleiter)
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