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liedvoll, deutschyzno. Gedichte

Belletristik

Dagmara Kraus

liedvoll, deutschyzno. Gedichte

Reihe Lyrik Band 69, gestaltet von Andreas Töpfer.

millionen flüchtige wörter stehen an / der grenze zu diesem gedicht / die beine in den bauch sich / schlange an der grenze / dunkle wörter, dunkle fremde / suchen nach zuflucht, wollen hier wohnen / … bebeten die grenzen / deine, deutschyzno moja

Verlagstexte

liedvoll, deutschyzno entstellt das Mickiewicz-Incipit "Litwo! Ojczyno ..." ("Litauen! Vaterland …") aus dem als polnisches Nationalepos geltenden Pan Tadeusz. Der verdeutschte Vokativ des Verlusts hat in seiner vorgezeichneten Überschreibung nichts mehr mit Nostalgie zu tun. Er zielt auf die Sprache und betitelt eine heteroklitische Sammlung von Gedichten, Ikonenklonen und Collagen, deren kleinster gemeinsamer Nenner Verschiebung und Metagramm sind. Einen wesentlichen Teil des Bandes bildet der Zyklus das pulmal in vatis klematis, der aus der Beschäftigung mit dem polnisch-jüdischen Pilpul (von "pilpel", "pfeffern") hervorging. Am Anfang stand dabei eine Frage, die Spötter seit Jahrhunderten umtreibt: Warum geht Pontius Pilatus in Johannes 18.33 ins Prätorium, bevor er Jesus draußen richtet? Otfrid von Weissenburg erlaubte sich im 9. Jahrhundert als Erster den Scherz, praetorium in einer Glosse als sprâchhûs zu übersetzen – Synonym von "Abort". (Dagmara Kraus)

Downloads

© Cover: Verlag, Foto(s): Dirk Skiba

Presse- und Autorenstimmen

Der von Andreas Töpfer grafisch gestaltete Band ist ein sprachlich-visuelles Gesamtkunstwerk. Er kann mit dem ganz besonderen Rot seines Umschlags und seiner Zwischenseiten, mit den Zeichnungen, den Collagen, den kunstvollen "Ikonenklonen" und der graphisch extraordinären Anordnung vieler Gedichte als echter Hirn- und Augenschmaus bezeichnet werden … Weil er in seinen fünf Kapiteln insgesamt so vieles lautlich zu erleben, sprachlich zu entdecken und semantisch neu zu sehen ermöglicht, wird der neue Gedichtband von Dagmara Kraus sicher noch eine ganze Weile auf meinem Schreibtisch liegen und immer mal wieder darin stöbernd aufgeschlagen werden.

(

Stefan Hölscher, signaturen-magazin.de

)

Statt Antworten zu geben oder Rätsel zu lösen, führt das Gedicht ins Offene und zerstreut sich sozusagen selbst … Überall bedeutet Migration den Sturz in die Mehrsprachigkeit, sie ist einer der Lebenstexte unseres Jahrhunderts. Auch für die Nachgeborenen wird die Muttersprache der Mutter zum Merkmal einer besonderen Identität. Ratlos und heftig, virtuos und unsentimental wird hier davon gesprochen. Selbst wer die polnischen oder französischen Wörter nicht versteht, spürt den Druck, unter dem "çatodas" steht, und die Intensität, mit der es seine Zeitzeugenschaft vermittelt.

(

Gisela Trahms, FAZ

)

Ihre experimentellen Gedichte, die rätselhafte Wortneuschöpfungen mit poetischer Leichtigkeit vereinen, sind nicht auf Verständlichkeit aus, sagt Dagmara Kraus. Kraus sprach ausschließlich Polnisch, bis sie 1988 mit sieben Jahren nach Deutschland kam. Von einem Tag auf den anderen in eine unverständliche Klangwelt versetzt, durchlief das Kind zum zweiten Mal den Prozess der Sprachaneignung. Diese Erfahrung bestimmt noch heute Kraus‘ poetische Arbeit: Als Sammlerin, die Gedichte "baut", hält sie Ausschau nach Sprachmaterial, das Bedeutungen konzentriert und generiert.

(

Hans Thill, Künstlerhaus Edenkoben

)

Textprobe(n)

çatodas

drei sprachen sind zu groß für deinen mund, mein kind
kau dir an der kruste hier muskeln an, nimm
an floskeln tuste gut daran, te tłusteste zu meiden
ah, das wusstest du schon, na dann

drei sprachen sind zu groß für deinen mund, mein kind
die eine hockt noch schief im rachen, indes die anderen
auf angenähte tanten machen, wie damals die aus
liza stara vom saalrand der parade rara

drei sprachen sind zu groß für deinen mund, mein kind
sagst du bélier, verbrauchst du zu viel spucke
meinst du wichurę, zeigst aufs regenzuckeln
und rührst dir was aus drei familien, führst krudes

durch die fleur-de-lilien und setzt dort wechselbälger aus
kuckuckskinder, bülbülschinder, wie du wörtchen
aus drei sprachen klaubst, wie du urkreol verschraubst
was syntaktisch, synku, sich nie binden ließe

pfui, du fiese mutter, biest du, arge hast dein kind betrogen
um die eine muttersprache; alles dreimal: 3 x strachy
drei ça-to-das, selbdritt fällst durchs fehlerfach
deine zunge, kindlein, splisst: père, quoi to ist, äquator

 

liedvoll, deutschyzno moja

1
millionen flüchtige wörter stehen an
der grenze zu diesem gedicht
die beine in den bauch sich
schlange an der grenze
dunkle wörter, dunkle fremde
suchen nach zuflucht, wollen hier wohnen
verjaschmakt, betschadort, da warten
mummen von jenseits der pole
es sind welche von ungarn gekommen
zupełnie niedeutschałe słowa
drängen sich hier in die futura
ręce błagają, bebeten die grenzen
deine, deutschyzno moja

3

abgeschoben ausgespuckt
da ist etwas kleinstes blaurosa
gepuckt, wie ein taubenschluck
leise weints mitten im pulk

wo sind denn die aus dem morgenland
die drei worte mit den gaben
nix myrrhe hier
her mit dem schwarz-rot-gold

wörter aus dem buch der könige
hocken im containerdorf: UMFwörter
aus saba, noch milchschorf im haar

labern babel

liedvoll, deutschyzno. Gedichte
Lyrik
ALS BUCH:
Hardcover

Fadenheftung, 2-farbig

80 Seiten
Format: k. A.
Auslieferung: März 2020
D: 19,90 Euro A: 20,50 Euro CH: k. A.

ISBN (Print) 978-3-948336-01-1

Der Verlag im Netz:

Pressekontakt des Verlages:

Daniela Seel
+49 (0)30 40053974
daniela.seel(at)kookbooks.de

Vertriebskontakt des Verlages:

Daniela Seel
+49 (0)30 40053974
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