Verlagstexte

Wie gelangt Rudolf Virchows Zwicker auf die Nase eines auf dem Dach der Humboldt-Universität erforenen Professors? Wohin verschwindet Knorp an einem Sonntagmorgen aus seinem Swimmingpool? Welches Geheimnis verbirgt sich im Schreibtisch des Jakob-Gottlieb-Humm-Hauses in Rudolstadt?

Von wahrhaft 'unerhörten Begebenheiten' berichtet Marco Dorati in seinen zwischen Novelle, Groteske, Anekdote und Kriminalerzählung schillernden Prosastücken. Sie verhandeln zugleich so zentrale Fragen wie die der Identität und der Autorschaft, des Bewusstseins und der menschlichen Grenzen. Es sind "Ermittlungen des als Wissenschaftler auftretenden Menschen gegen sich selbst", wie Thomas Poiss in seinem Nachwort schreibt.

Marco Doratis Texte sind präzise wie ein Filmskript. Und sie sind nicht zuletzt ein großes sprachliches Vergnügen. Der italienische Autor beherrscht in seinen auf Deutsch verfassten Erzählungen den nüchternen Chronikton ebenso wie eine virtuose Syntax aus dem Geist Thomas Bernhards.

Downloads

Presse- und Autorenstimmen

Textprobe(n)

Knorp verschwand an einem Sonntagmorgen, während er in seinem Schwimmbecken schwamm. Er hatte schon mehrere Bahnen Brust zurückgelegt, als er, das Tempo etwas verlangsamend, den Blick hob, um auf die Wanduhr an der Gartenmauer zu schauen und die Zeit zu kontrollieren, und merkte zu seiner Überraschung, daß die Palmwipfel jenseits der Mauer, obwohl kein Windhauch zu spüren war, heftig schwankten. Als er aber den Blick wieder senkte, sah er durch seine Schwimmbrille plötzlich einen dünnen, schwarzen Sprung sich unten auf dem azurblauen Boden abzeichnen. Wäre Knorp damals unverzüglich zum Beckenrand geschwommen, so wäre es ihm wahrscheinlich noch gelungen, aus dem Wasser zu steigen, doch konnte er der Versuchung nicht widerstehen, den schwarzen Riß, der sich rasch im Zickzack den Weg durch den Farbanstrich bahnte, noch für einige Sekunden anzustarren, und so hielt er sich, ohne weiterzuschwimmen, lediglich über Wasser und schaute weiter nach unten.