Verlagstexte

Sie irritieren und befremden. Sie sind subversiv. Im dichterischen Gestalten der Fantasie gehen die in diesem Buch porträtierten Schriftstellerinnen bis an die Grenzen, auch und gerade im Alter. Sie sind auf der Höhe ihrer Kunst angekommen. Schonungslos, humorvoll, kritisch. Mit dem Älterwerden gehen sie unterschiedlich um, doch keine wird sentimental, keine lamentiert. Sie machen sich nichts vor, arbeiten mit höchster Konzentration und erschaffen sich ihre Wirklichkeit mit Hilfe der Sprache. Sie haben sich permanent und konsequent weiterentwickelt, haben neue Facetten entdeckt und ihre Horizonte erweitert – und bleiben sich treu.

Ingeborg Gleichauf gibt einen besonderen Einblick in das kreative Spätwerk von fünfzehn Schriftstellerinnen – von Simone de Beauvoir über Patricia Highsmith bis zu Alice Munro.

Porträtiert werden:
Ilse Aichinger
Djuna Barnes
Simone de Beauvoir
Maria Beig
Maja Beutler
Kerstin Ekman
Marieluise Fleißer
Patricia Highsmith
Marieluise Kaschnitz
Sarah Kirsch
Else Lasker-Schüler
Friederike Mayröcker
Alice Munro
Gerlind Reinshagen
Christa Wolf

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Presse- und Autorenstimmen

Textprobe(n)

2005 schreibt Aichinger Kolumnen für das "Spectrum", das der Wiener Tageszeitung "Die Presse" beiliegt. Sie arbeitet nun im Café Jelinek in Wien-Gumpendorf, liest die Boulevardpresse und Bücher von E.M. Cioran und erforscht die Subtexte ihrer Zeitgenossen. Aichinger scheint mit zunehmendem Alter immer präsenter zu werden, unerbittlicher im Hinschauen, klarer in der Diagnose der eigenen Zeit, eine überwache Beobachterin und Analytikerin auf der Suche nach den "richtigen" Worten. Und sie wird dabei immer komischer, sie nähert sich stärker Elfriede Jelinek und Ingeborg Bachmann an, obwohl sie letztere gar nicht besonders mag und der Meinung ist, sie habe viel "Falsches" geschrieben. Zum Beispiel sei der Ausdruck "Todesarten" völlig verfehlt. Der Tod sei der Tod, er verändere sich nicht, nur das Sterben verändere sich. Also müsse es wohl eher heißen "Sterbensarten", ein Ausdruck, der auch in den Schattenspielen auftaucht. Bei der Aufdeckung von Sprachwidersprüchen ist Aichinger gnadenlos.

Wie leben Menschen mit sich selbst? Wie stehen sie zur eigenen Existenz und dazu, dass man ihnen diese Existenz ungefragt "an den Kopf geknallt" hat, wie Aichinger konstatiert. Was brodelt im Untergrund eines jeden Lebens an Subtexten, an Vergangenem, an Gelesenem, an Historie, Gesellschaft, Denken oder Gedankenlosigkeit? Wenn man irgendwo Anschauungsunterricht in "wildem" Denken sucht, wird man bei Ilse Aichinger und in diesen Kolumnen fündig. Eine 85-jährige Schriftstellerin macht vor, wie Anarchie und Vernunft ineinander spielen können und wie aus dieser Melange große Kunst entsteht. E.M. Cioran, Raymond Chandler, Peter Handke und Johann Nestroy, William Blake, Wien, die Schulzeit im Sacré Cœur am Rennweg, das Hausmädchen Ayten aus der Türkei und die Brüder Grimm: Subtexte des Schreibens und Existierens von Ilse Aichinger. Die Dichterin beweist im Alter, dass es eine wilde Existenz war und ist – und ein wildes Schreiben.