Belletristik
Ida Lødemel Tvedt
Tiefseetauchen
Aus dem Norwegischen von Karoline Hippe
In Lødemels Essays verschmelzen das Politische und das Persönliche. Sie behandelt Fragen des Narrativs, der Rhetorik und nach der Berechtigung eines Ichs in Essay und Literatur und übt sich dabei in selbstkritischer Ironie.
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Verlagstexte
Ida Lødemel Tvedt schreibt über Ursprungsmythen und Wurzelmetaphern, Einsamkeit und Wahnsinn, über Identitätspolitik und den amerikanischen Mythos, über Objektivierung und das Spiel mit der Lust, inszenierte Feminität, Schuld, Scham und die Kulturgeschichte Adam und Evas, über Steve Bannon und das Theater des Bösen, Stand-up-Comedians, weinerliche Endzeit-Narzisstinnen, die Hure Babylon und wütende Mütter. Ihre Reflexionen bewegen sich in einer Welt – zwischen Europa und den USA, zwischen urbanen Kulissen und weiten Landschaften –, die mal kalt und desillusioniert, mal euphorisch und wohlgesonnen erscheint.
Sie setzt sich mit Werken von Susan Sontag, Anne Carson und Gertrude Stein auseinander, untersucht Texte von Ta-Nehisi Coates, Maggie Nelson, Hilton Ale und Claire-Louise Bennett und lässt Stimmen von Simone Weil, Martha Nussbaum, Hannah Arendt, Marquis de Sade, Johann Georg Hamman und Dolly Parton einfliessen.
Der Titel mag auf das Streben nach Tiefe, das Ergründen gesellschaftlicher Ordnungen und Dynamiken hindeuten, doch vielleicht nimmt er auch nur Bezug auf die "maritimen Fantasien" der Autorin:
"Ich verlange, dass es auf dieser Welt etwas geben muss, das groß, solide und unveränderlich ist. Deshalb das Meer. Deshalb die Wale. Deshalb ertrunkene Abgründe aus Fels und Erz, Seetang und Seegras. Es sind diese irrationalen emotionalen Anforderungen an unsere Umgebungen, dass andere Dinge konsequenter und überzeugender sein sollten als wir. Daher die Rückkehr zum kindlichen ozeanischen Gefühl, das Beharren auf dem Gigantischen, Übermütigen, Mythologischen, was nur durch Wasser, Luft und freie Assoziationen verbunden ist."
Presse- und Autorenstimmen
Ida Lødemel Tvedts Essay-Debüt mag vieles sein, aber vor allem ist es umwerfend gut.
(Kjetil Røed, Vårt Land
)Es ist stark, wie Lødemel Tvedt sich assoziativ in verschiedene Richtungen bewegt und unterschiedliche Bildlichkeiten zusammenbringt.
(Simone Schröder, internationales literaturfestival berlin
)... eine Sammlung intensiver, hungriger Essays.
(Ida Vågsether, Stavanger Aftenblad
)Textprobe(n)
Heim(kehren)
Es ist Anfang August. Morgen werden wir ein Familienfest in Hovdebygda feiern, im Garten hinter Großmutters und Großvaters Haus. Wir werden grillen und Lagerfeuer machen, bei der Hängebirke, einem Baum, der genetisch dazu prädestiniert war, wie eine gewöhnliche Birke zu wachsen, jedoch von Großvater manipuliert wurde, indem er ihre Wurzeln freilegte und die Hohlräume zwischen ihnen mit Steinen füllte, bevor er sie wieder mit Erde bedeckte. Traditionsgemäß werden Großmutters Kinder uns, den Enkeln und Urenkeln, Geschichten und Seemannsgarn erzählen, während Großmutter in unserer Mitte sitzt, desorientiert, aber stets mit einem flotten Spruch auf den Lippen. Jemand wird die Anekdote erzählen, in der meine Mutter als kleines Mädchen auf der Treppe vor dem Haus saß, während Großmutter in der Küche stand und Hering briet, einen Schlüpfer über den Kopf gezogen, um die glänzend blonde Dauerwelle vor dem Essensdunst zu schützen. Als meine Mutter einen Handelsvertreter den Hügel herunter auf unser Haus zukommen sah, lief sie panisch hinein und rief so laut, dass der ganze Hof es hören konnte: "Mama, Mama, zieh den Schlüpfer aus! Der Handelsreisende kommt!"
Großmutter liebt diese Geschichte, fast so sehr wie die Anekdote vom Besuch ihres Sohnes und seiner damaligen amerikanischen Freundin, die ziemlich schockiert war, als Großmutter während der abendlichen Katzenwäsche oben ohne durch die Küche spazierte. Die Amerikanerin hatte vielleicht Großmutters Dankbarkeit für ihren starken und gesunden Körper mit Promiskuität verwechselt. Ebenjene Dankbarkeit veranlasst Großmutter gerne mal dazu, sich geheimnisvoll nach vorne zu lehnen und zu gestehen, dass sie mehr Kinder gestillt als zur Welt gebracht hat.
"Ja", sagt sie dann, "ich war eine gute Milchkuh."
Großmutter ist eine Meisterin, wenn es darum geht, Fabeln um sich selbst zu spinnen, die Fabel von der Furie, die Fabel vom burschikosen Wildfang, der Fußball spielte und Männer vor dem Ertrinken rettete, indem er sie auf starken Schultern in Sicherheit brachte.
"Ich habe einen richtigen Knackarsch, findest du nicht?", sagt sie dann, mit diesem teuflisch kecken Glitzern in den Augen, und ignoriert dabei den großen Bauch, der sich über ihre Hüften wölbt. Sie liebt es, ihre Hände in, wie sie es nennt, "sauberen Dreck" zu stecken – in Erde und Teig und Fett –, sie fühlt sich am schönsten in löchrigen Nachthemden und alten T-Shirts. Eines ihrer Lieblingswörter ist stropl, ein Dialektwort, das so viel wie "unflätig-lustig" oder "derb-schelmisch" bedeutet.
Selbst jetzt, da ihr Gedächtnis und ihre Geschichten zu Fragmenten werden und sie nicht mehr weiß, wann oder wo sie ist, ist sie wortgewitzt, mit dem Timing einer Stand-up-Komikerin. Wir können sie immer noch darum bitten, Kartoffeln zu schälen, das Familiensilber zu polieren oder zu bügeln – Aufgaben, die ihre Hände seit fast neunzig Jahren erledigt haben –, und während sie arbeitet, können wir sie in ihre Geschichten zurückführen, Geschichten von Krieg und Liebe und Eifersucht, Fabrikarbeit und Bauernleben, Geschichten, in denen es von fragilen Männern und mächtigen Matronen nur so wimmelt.
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Tiefseetauchen
Essayistik
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ALS BUCH:
Hardcover
340 SeitenFaenbindung, Lesebändchen
Format: 110 x 180 mm
Auslieferung: ab 1. April 2021
D: 26,00 Euro A: 26,70 Euro CH: 32,00 CHF
ISBN (Print) 978-3-9524114-1-4
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